Die
Erfahrungen der Pandemie, Probleme in der Flüchtlingspolitik und aktuell der
Krieg in der Ukraine rücken das Thema „Grenze“ zunehmend in den Fokus der
Aufmerksamkeit. Über den engeren geographisch-politischen Begriff der Grenze
hinaus umfasst eine „Philosophie der Grenze“ spezifisch philosophische wie
metaphorische Bedeutungen. In unserer Lebenswelt sind Grenzen allgegenwärtig.
Wir stoßen an unsere Grenzen, verletzen,
überschreiten oder sprengen sie. Wir setzen uns ethisch Grenzen durch Gesetze,
Regeln, Verbote oder Tabus. Psychologisch und gesellschaftlich kennen wir
Phänomene der Ab- und Ausgrenzung.
Mit dem antiken Gegensatzpaar
„Grenze (peras) – Unbegrenztes (ápeiron)“ etabliert sich Grenze früh zu einem
philosophischen Begriff, zentral nicht nur für kosmologische Fragen nach
Endlichkeit und Unendlichkeit, sondern vor allem auch für die Unterscheidbarkeit
und Erkennbarkeit von Seiendem, für die Definition und Abgrenzung von Begriffen
(vgl. lat. definitio, terminus) sowie für die Grenzen der Erkenntnis. Besonders
Kant betrachtet es als Aufgabe der Metaphysik, die Grenzen des reinen
Vernunftgebrauchs zu bestimmen. In der Nachfolge Kants begreift etwa Fichte die
Grenze als Vollendung des Sichselbstbegreifens. In der mittelalterlichen
Philosophie gilt die Grenze als der höchste Begriff als Ziel der Erkenntnis wie
etwa der Gottesbegriff bei Anselm oder der Gipfel der Erkenntnis bei Nikolaus
von Kues.
In der existentiellen Dimension erfahren wir unsere
eigene Begrenztheit und Endlichkeit. Wir durchleben Grenzsituationen (K. Jaspers), in denen das Dasein auf seine wahre Existenz hin durchsichtig werden
kann. Die Schwelle des Todes schließlich versteht R. Berlinger nicht als Grenze
des Daseins, sondern vielmehr als Entgrenzung der Existenz und Befreiung des
Geistes aus den Schranken der Vergänglichkeit.
Symposion „Philosophie der Grenze“ - 30. Mai bis 2. Juni 2023 auf Schloss Schwanberg